Ein bleibendes Relikt, von den vielen im Rahmen der 100jahrfeiern in den Jahren 2011/12 in Neulengbach stattgefundenen Aktivitäten, ist der Egon Schiele Rundweg. Er bietet einen Einblick in das Leben und Schaffen Egon Schieles während seiner Zeit in Neulengbach.
„Lieber O. C. ich bin nach Neulengbach gekommen um immer hier zu bleiben, meine Absichten sind große Werke zu vollführen, …“ mit diesen Worten beginnt ein Brief von Egon Schiele an seinen Onkel Leopold Czihaczek (O. C.) vom 1. 9. 1911.
Darin beschreibt Egon Schiele seine Beweggründe aus Wien zu „fliehen“ und in der Abgeschiedenheit „große Werke zu vollführen“ – was er in der kurzen Zeit seines nur 8 Monate dauernden Aufenthaltes auch realisiert. Die Werke „Eremiten“, „Liebkosung (Kardinal und Nonne)“, diverse Herbstbäume, die Mehrzahl seiner sogenannten „Brettlbilder“ und andere mehr sprechen eine deutliche Sprache.
Leider wird bis dato mit Egon Schiele und Neulengbach nur die „Affäre“ gesehen. Dazu kurz die Fakten: am 11. 4. 1912 erhielt Egon Schiele eine Vorladung als Beschuldigter (wegen des Verdachts der Verbrechen der Entführung und Schändung) an das Bezirksgericht Neulengbach. Nach einem 1½ stündigen Verhör am 13. 4. 1912 wird Egon Schiele (wegen Verdunkelungsgefahr) in Untersuchungshaft genommen. Noch im Verlauf der Voruntersuchung kommt es zur Einstellung des Strafverfahrens wegen Entführung. Am 30. 4. 1912 erfolgt die Überstellung an das zuständige Kreisgericht in St. Pölten. Bei der Hauptverhandlung am 4. 5. 1912 wird Egon Schiele auch nicht wegen des angeklagten Verbrechens der Schändung verurteilt, nachdem die „hiefür einzig maßgebende Person als Zeuge bei der Hauptverhandlung ihre in der Voruntersuchung abgelegte Aussage in einem entscheidenden Punkte abgeschwächt hatte“ (Zitat, Dr. Scheffenegger, 21. 10. 1921). Es bleibt eine Verurteilung wegen der „gröbliches und öffentliches Ärgernis verursachende[n] Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit und Schamhaftigkeit“ zu drei Tagen strengem Arrest. Am 7. 5. 1912 wird Egon Schiele aus der Haft entlassen.
Mein Anliegen – schon in einem Aufsatz im Egon Schiele Jahrbuch 1911 begonnen – ist es aufzuzeigen, dass Egon Schiele mit Neulengbach weit mehr verbindet, als die „Affäre“. In dem von mir kuratierten Teil der Ausstellung „Egon Schiele – eine Affäre?“ und im Rahmen des Egon Schiele Themenweges in Neulengbach wurden bzw. werden lediglich Fakten dargelegt und besonderes Augenmerk auf die Lebensumstände in Neulengbach und Umgebung zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelegt.
Der Themenweg ist täglich, rund um die Uhr, frei zugänglich. Der Originalschauplatz der Inhaftierung (Zelle 2 im ehemaligen Gemeidekotter des Amtshauses in Neulengbach) ist - neben einer kleinen Dauerausstellung - ebenfalls täglich (9 - 17 Uhr) unentgeltlich zu besichtigen.